WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Sport
  3. Katrin Krabbe: Ehemalige Sprinterin begleitet Menschen beim Sterben

Sport Ex-Sprinterin mit Herz

Katrin Krabbe begleitet jetzt Menschen beim Sterben

Nachtcafé 26 Nachtcafé 26
Katrin Krabbe ist heute 47 Jahre alt und arbeitet als Sachbearbeiterin in einem Neubrandenburger Autohaus
Quelle: pa/obs/SWR/Alexander Kluge
Katrin Krabbe war ein Weltstar, die „Grace Kelly der Tartanbahn“. Heute ist sie 47 Jahre alt und hat bereits viel Leid ertragen. Jetzt übernahm sie eine Aufgabe, die schwieriger kaum sein könnte.

Die kleine, weiße Villa liegt idyllisch am Tollensesee bei Neubrandenburg. Von außen sieht das Haus aus, als würde hier eine glückliche Großfamilie das Leben genießen. Im Inneren aber wohnen etliche Menschen, die den Tod vor Augen haben und nur noch wenig Hoffnung. Es ist das Haus des „Dreikönigshospizdienstes“, ein stiller Ort, in dem jetzt eine der ehemals Größten des Weltsports schwer kranke Menschen auf ihrem Weg in den Tod begleitet.

Katrin Krabbe, Anfang der 90er-Jahre die Königin des Frauensprints, Weltsportlerin des Jahres 1991, hält hier ehrenamtlich Menschen die Hände, streichelt Schwerstkranken über die grauen Haare, erzählt Witze oder hört sich geduldig die Geschichten der Todgeweihten an – von alten, schönen Zeiten, als Krankheit und das Sterben noch in weiter Ferne lagen.

„Meine Aufgabe ist es vor allem, noch viele schöne Momente herzuholen“, sagt Krabbe der „Bild“ zu ihrer selbst gewählten neuen humanitären Aufgabe: „Es kommt schon vor, dass ich mich nach den Stunden des Beisammenseins mal für 30 Minuten in den Wald verabschiede. Das erdet mich.“

Schwere Schicksalsschläge zu ertragen, zu verarbeiten und dabei nicht komplett den Boden unter den Füßen zu verlieren, eben geerdet bleiben, darin ist Katrin Krabbe leidvoll erfahren. Und wer einen Blick in die Vita dieser 47-jährigen Frau wirft, kommt unweigerlich auf die Frage: Wie viel Schmerz und Trauer kann ein Mensch ertragen?

LEICHTATHLETIK
Ihr größter Erfolg: 1991 wurde Krabbe in Tokio Weltmeisterin
Quelle: pa/Augenklick/F/Foto Rauchensteiner

Sie war Doppelweltmeisterin über die 100 und 200 Meter, man nannte sie die „Grace Kelly der Tartanbahn“ – so ansehnlich, so schnell –, aber dann gab es da dieses Problem mit den Urinproben ihrer Neubrandenburger Trainingsgruppe während eines Vorbereitungscamps in Südafrika. Es folgten Dopingprozesse, ein öffentliches Spießrutenlaufen und dann das jähe Karriereende, nachdem sie bis August 1995 gesperrt worden war.

Krabbe bekam 600.000 Euro Schadenersatz

Sie rappelt sich wieder hoch nach diesem Absturz, dem Ende ihrer so verheißungsvollen Sportkarriere. Michael Zimmermann, der sie als früherer Junioren-Vizeweltmeister im Rudern nur zu gut versteht, unterstützt sie dabei. Später heiratet sie den Rechtsanwalt, und zusammen gewinnen sie einen langwierigen Schadenersatzrechtsstreit um die gegen sie vom Leichtathletik-Weltverband IAAF verhängte Sperre, die für sie einem Berufsverbot gleichkam. Etwas mehr als 600.000 Euro erhält sie – aber das Paar versäumt es, diese Summe ordnungsgemäß zu versteuern und wird deshalb verurteilt. Viel Geld ist danach weg.

Katrin Krabbe-Zimmermann
Katrin Krabbe und ihr Anwalt Thomas Summerer nach dem Gerichtsurteil 1998
Quelle: pa/dpa

Im Mai 2015 dann der nächste und wohl dramatischste Schock für Katrin Krabbe: Im Alter von 52 Jahren nimmt sich Michael Zimmermann das Leben. Seine Familie, Katrin Krabbe und zwei minderjährige Söhne, trifft dies völlig unvorbereitet. Die Ex-Sprinterin verarbeitet den Rückschlag offensiv, sie geht einige Monate später in die TV-Sendung „Nachtcafé“ (Thema: „Den Tod vor Augen“) – und lässt Außenstehende tief in ihre Seele blicken.

Sie sagt Sätze zum Suizid ihres Mannes wie: „Ich hatte sofort ein ungutes Gefühl, als mein Mann abends nicht zu Hause war. Denn er hatte mir nichts gesagt. Ich habe ihm dann geschrieben ‚Wo bist du?‘. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, mir war kalt. Es war alles so untypisch“, so Krabbe in der SWR-Talksendung. Sie habe wach gelegen und gegrübelt: „Da ist irgendetwas. Er hatte große Schuld- und Schamgefühle der Familie gegenüber. Er konnte darüber auch nicht reden. Ich habe ihm immer die Hand hingehalten, aber er hat sie nicht genommen. Einen Abschiedsbrief hat er nicht hinterlassen.“

Und jetzt diese unglaubliche intensive und bedrückende Aufgabe in einem Sterbehospiz. Nicht viele Menschen werden vielleicht wissen, was in schweren Stunden etwas Linderung bietet. Und deshalb sitzt Katrin Krabbe gemeinsam mit alten, schwer kranken Menschen vor dem Fernseher, geht mit ihnen ein Stück weit durchs Grüne, nimmt ihnen so die Ängste auf der Schwelle zum Tod.

Anzeige

Für ihre neue ehrenamtliche Aufgabe hat Katrin Krabbe, die hauptberuflich weiterhin als Sachbearbeiterin in einem Neubrandenburger Autohaus ihren Lebensunterhalt verdient, vorab viel Zeit investiert, einen neunmonatigen Kurs absolviert, viele Vorträge von Ärzten und Psychologen angehört und verinnerlicht.

Die Frau, die in viele Abgründe geblickt hat, sagt jetzt über ihre Arbeit als Sterbebegleiterin: „Wenn die Menschen mit einem Lächeln gehen, habe ich alles richtig gemacht.“

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema