WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. ICONIST
  3. Mode
  4. Naomi Campbell: „Modeln ist nur ein so kleiner Teil meines Lebens“

Mode Fotomodell

Naomi Campbell hat ihre eigene Moral und ihre eigene Agenda

Autor im Ressort Stil
Wie zwei First Ladies: Mit ihrer Mutter Valerie Morris Campbell, fotografiert 2018 für die Weihnachtskampagne von Burberry Wie zwei First Ladies: Mit ihrer Mutter Valerie Morris Campbell, fotografiert 2018 für die Weihnachtskampagne von Burberry
Wie zwei First Ladies: Mit ihrer Mutter Valerie Morris Campbell, fotografiert 2018 für die Weihnachtskampagne von Burberry
Quelle: Juno Calypso/ WeFolkAgency
Erst Supermodel und Partygirl, jetzt globale Gleichstellungsbeauftragte: Naomi Campbell schreitet einfach immer weiter. Die Fehltritte in ihrem Leben? Hat sie immer weggelächelt. Nun feiert ein neuer Bildband die Unvergleichliche.

Die bemerkenswertesten Fotos aus diesem Doppelbuch darf man leider nicht online veröffentlichen. Nicht etwa, weil sie nicht jugendfrei wären – das sind Fotos von Naomi Campbell, selbst wenn sie nackt ist, interessanterweise immer –, sondern weil sie aus irgendeinem Grund nicht freigegeben sind. Vielleicht ist das auch gut so. Denn im heutigen gesellschaftlichen Klima wären sie ein Skandal.

Sie zeigen das britische Fotomodell Naomi Campbell, die in diesem Mai 50 geworden, tatsächlich aber erschütternd alterslos ist, in der afrikanischen Wildnis. Sie rennt im Leopardenfellkleid mit einem Geparden um die Wette. Sie lässt sich auf dem Rücken eines Elefanten von diesem mit Wasser bespritzen. Sie springt in einen Zebramantel gehüllt Seil, das von zwei Pavianweibchen geschwungen wird.

Ausgedacht hat sich diese Bilder der französische Fotograf Jean-Paul Goude, der mit seinen surrealen Inszenierungen die Karriere von Grace Jones maßgeblich gestaltet und gefördert hat. In einem Interview mit Campbell sprachen die beiden mal über sein „Dschungelfieber“: seine Leidenschaft für dunkelhäutige Frauen. Und auch über den Schauspieler Robert De Niro, den man wegen dieser Vorliebe „Robert De Negro“ nenne und mit dem Campbell vor vielen Jahren mal kurz liiert war.

Nach gut 30 Jahren Modelkarriere: Chris Collins fotografierte sie 2018 für die „Vogue Arabia“
Nach gut 30 Jahren Modelkarriere: Chris Collins fotografierte sie 2018 für die „Vogue Arabia“
Quelle: Chris Colls

Die Dschungelbilder von Naomi sind zehn Jahre alt und wirken doch wie aus einer anderen Zeit. Eine schwarze Frau mit gepardenschnellen Beinen beim Spiel mit den wilden Tieren Afrikas, noch dazu in Kleidern, die aussehen wie selbst erlegt – dieser Humor wäre heute nicht mehr zu vermitteln, denn auch augenzwinkernder Kolonialismus ist eben genau das.

Die Karriere von Naomi Campbell ist nicht frei von Fehltritten und Fauxpas. Ihr Rezept: einfach weiterschreiten. Lächeln wie eine Sphinx. Oder wie die Mona Lisa. Und weiterhin die schönste Frau der Welt sein, deren Nachnamen man eigentlich nicht braucht. Kates gibt es viele (Blanchett. Winslet. Middleton. Moss). Aber nur eine Naomi.

Für die Hülle des letzten opulenten Bildbands hatte man ihre Brüste nachgeformt, das neue Doppelbuch ist, naja: ernsthafter. Das Kleinere zeigt Schnappschüsse aus dem privaten Fotoalbum (sofern es bei einer Frau wie ihr überhaupt private Fotos geben kann), Werbekampagnen und die unzähligen Cover, auf denen Naomi zu sehen ist. Dazu plaudert sie aus ihrem Leben: Dass sie Dragqueens liebt („meine Schwestern“), dass ihr Spitzname früher „Omi“ gewesen sei, dass sie kürzlich einen Tauchschein gemacht hat.

Auch ihre Präsenz ist enorm

Das Größere zeigt einige ihrer schönsten Aufnahmen. Peter Lindbergh machte mit ihr Farbbilder (bei ihm eine Seltenheit), auf denen sie aussieht wie eine Südseeschönheit von Paul Gauguin. Steven Klein porträtierte sie mit ihrer Freundin Kate Moss als grandiose Partygirls. Und Herb Ritts zeigt sie als lebende Skulptur mit Overknee-Lackstiefeln. „Naomi hat eine fast unantastbare Kraft“, sagt Stefano Pilati. „Naomi hat den besten Körper der Modewelt“, sagt ihre Kollegin Claudia Schiffer. Und Azzedine Alaia brachte es auf den Punkt: „Sie ist wunderbar“. Und wer sie einmal bei einer Modenschau hat Laufen sehen, der weiß, was gemeint ist. Die anderen Mädchen sind höchstens halb so alt, manche haben wesentlich mehr Instagram-Follower, aber Naomi hat diesen wirklich einzigartigen, selbstbewussten Gang, bei dem nicht die Hüften schwingen, sondern der ganze Saal.

Und es schwingen hunderttausend Geschichten mit: der Sturz auf dem Laufsteg der Vivienne-Westwood-Show, der Blutdiamantenprozess, wo sie als Zeugin geladen war, die Freundschaft mit Nelson Mandela, das Handy, das sie ihrer Assistentin ins Gesicht knallte, die halbgelungenen Fernsehformate, das Video „In the Closet“ mit Michael Jackson. Von dem sie übrigens bis heute öffentlich nicht abgerückt ist. Denn Naomi hat ihre eigene Moral und eigene Agenda. Ihre Mutter Valerie war Balletttänzerin aus Jamaika, ihren Vater lernte sie nie kennen. Mit 14 Jahren brach sie die Schule ab, um eine Schauspiel- und Tanzausbildung zu machen. Die frühe Modelkarriere bescherte ihr ein so privilegiertes Leben, dass sie erst in der Entzugsklinik lernte, wie man eine Waschmaschine bedient.

Heute lässt sie sich sogar dabei filmen, wie sie mit Hygienetüchern ihren eigenen Flugzeugsitz reinigt (natürlich nicht in der Economyclass, aber immerhin ein Linienflug). Nach den tumultartigen Partyjahren hat Naomi ihr Herz entdeckt. Seit Langem organisierte sie die Benefiz-Modenschau „Fashion for Relief“, und sie versteht sich als globale Gleichstellungsbeauftragte und Schutzpatronin der nächsten Generationen. Zumindest solange die Hackordnung klar ist. „Modeln ist nur ein so kleiner Teil meines Lebens“, sagte Naomi im Fernsehen mal zu ihrer jüngeren Kollegin Tyra Banks. Was eigentlich nur dazu diente, die andere klein zu machen. Aber gerade für diesen Blödsinn muss man sie lieben.

"Naomi Campbell" von Josh Baker, 522 Seiten, mit Begleitband, in einer Box, 100 Euro
"Naomi Campbell" von Josh Baker, 522 Seiten, mit Begleitband, in einer Box, 100 Euro
Quelle: Taschen.com
Anzeige

Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook, Instagram und Twitter.

*Dieser Text enthält Affiliate Links. Das bedeutet: Sollten Sie über die mit einem Stern gekennzeichneten Links einen Kauf abschließen, erhält WELT eine kleine Provision. Die Berichterstattung beeinflusst das nicht. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.de/unabhaengigkeit.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema