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Hauptrolle in „Hotel Heidelberg“ Ulrike C. Tscharre: Der lange Weg zum Erfolg

Von Joachim Schmitz | 20.02.2016, 05:06 Uhr

Ein kleines Café in Berlin-Charlottenburg, so ganz anders als das „Hotel Heidelberg“, in dem ein Millionenpublikum sie ab 26. Februar als dessen Chefin sehen wird. Ulrike C. Tscharre im Interview:

Frau Tscharre, sind Frauen eigentlich bessere Multitasker als Männer?

Vermutlich. Zumindest kann ich es aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen, dass Frauen mehrere Dinge parallel machen können und jemand anderem dabei eine größere Aufmerksamkeit vermitteln. Männer können vielleicht auch sehr gut Zeitung lesen und zuhören, aber das vermittelt sich nicht so.

Was können Sie gut gleichzeitig erledigen?

Duschen und Zähneputzen. Das habe ich ganz spät für mich entdeckt und finde es total klug – schließlich hat man’s dann beim Zähneputzen schön kuschelig warm.

Und was geht gar nicht parallel?

Ich kann schlecht Musik hören und gleichzeitig lesen. Mich stört es beim Lesen, wenn im Hintergrund Musik läuft. Da lenkt mich das eine vom anderen ab. Wenn ich lese, habe ich es gerne ruhig.

Es gibt eine Szene in „Hotel Heidelberg“, in der Sie sich gleichzeitig die Zähne putzen und die Beine rasieren – bei mir würde so etwas wahrscheinlich zu einem folgenschweren Unfall führen.

Diese Szene war sogar meine Idee. Im Drehbuch stand nur Zähneputzen, aber ich wollte zeigen, dass sie es eilig hat, viele Dinge gleichzeitig erledigt und sehr organisiert ist.

Bügeln und Fernsehen sind auch zwei Dinge, die viele Menschen gleichzeitig machen. Ist das Wort „Bügelfernsehen“ eine grobe Beleidigung für eine Schauspielerin?

Das sehe ich nicht so. Es sind verschiedene Arten von Fernsehprogrammen – manche sind eben dazu da, dass man nicht alleine ist, und irgendwas passiert zu Hause, dem man folgen kann. Und dann gibt es Filme, die man sich richtig anschauen sollte, sonst kann man es auch gleich lassen. Wenn man da kurz rausgeht und wieder reinkommt, hat man die Hälfte nicht mitbekommen und ärgert sich über den Film, der da läuft, weil man nichts versteht.

Bügeln Sie auch gelegentlich beim Fernsehen?

Ich bügele beim Fernsehgucken nicht so oft, sondern schiebe es immer raus, bis es wirklich nicht mehr anders geht.

Sie gehören zu denjenigen Schauspielerinnen, deren Name vielen Zuschauern zunächst mal nicht viel sagt, die aber bei Ihrem Anblick sofort sagen „Ach, die“. Nervt Sie das?

Gar nicht. Ich habe ja einen sehr speziellen Nachnamen, dazu kommt, dass ich wenig Privates über mich erzähle. Mir ist es lieber, wenn ich durch meine Rollen Aufmerksamkeit bekomme und nicht als Privatperson.

Zu Ihrem speziellen Namen gehört auch das C. zwischen Ulrike und Tscharre. Ist Ihnen die Claudia so viel Wert, dass sie zumindest mit einem C. Erwähnung finden soll?

Ich finde, dass dieses C meinen Namen, der ja sonst ziemlich hart klingt, etwas weicher macht und auch optisch abrundet. Ulrike Claudia Tscharre wäre mir zu lang, ich empfinde mich auch nicht als Claudia.

Auf Ihrer Homepage heißt es in Ihrem Lebenslauf, dass Sie auf eine Dachterrasse hoffen. Warum haben Sie keine?

Ich habe nie die richtige Wohnung gefunden. Und wenn ich sie gefunden hatte, dann habe ich sie nicht bekommen. Dabei finde ich Dachterrassen wirklich ganz toll – entweder Dachterrasse oder Garten, eins davon sollte schon sein. Jetzt habe ich seit einiger Zeit einen Garten. Beides zusammen wäre natürlich auch nicht schlecht. Am liebsten würde ich mir mein eigenes Haus bauen.

Sie stammen aus Bempflingen, einem Dorf mit nicht mal 4000 Einwohnern, und wohnen jetzt in der Millionenmetropole Berlin. Warum zieht es eigentlich immer mehr Schauspieler hierhin?

Berlin bietet einfach so viele Möglichkeiten, dass hier jeder leben kann, wie er will. Ich kann hier am Wasser wohnen oder in eher dörflichen Strukturen, ich kann in einer Plattenbausiedlung wohnen oder in einem großbürgerlichen Umfeld wie in Charlottenburg. Das macht Berlin schon mal einzigartig. Außerdem gibt es hier ein unglaubliches Kulturangebot, ein großes gastronomisches Angebot, Berlin ist eine wahnsinnig lebendige Stadt. Man kann hier rumlaufen, wie man möchte, und unterliegt einfach nicht so vielen Zwängen wie anderswo. Berufliche Gründe sind da für mich und wohl auch für die meisten meiner Kollegen weniger ausschlaggebend.

Auf Ihrer Homepage beschreiben Sie Kärnten als Ihre zweite Heimat, in der Sie als Kind jeden Ferientag verbracht haben. Warum?

Ich bin halb Deutsche, halb Österreicherin. Mein Vater kommt aus Kärnten, meine Mutter aus besagtem Bempflingen. Deshalb habe ich wie meine Geschwister auch zwei Pässe – einen deutschen und einen österreichischen. Ich habe in Deutschland fast keine Verwandten, die meisten leben in Österreich. Meine Eltern leben mittlerweile wieder in Kärnten, und deshalb fühle ich mich da auch familiär eingebunden. Das ist mein Zuhause.

In der Schule haben Sie gleich bei Ihrem ersten Singspiel „Hänsel und Gretel“ Ihren Einsatz als Gretel verpasst. Was ist da passiert?

Ich stand da und dachte, ich müsse jetzt singen und habe gesungen – dabei war ich noch gar nicht dran. Dafür habe ich mich mit meinen jungen Jahren sehr geschämt, zumal es mir vor ziemlich großem Publikum passierte. Es war in Bempflingen das große Singspiel, da kamen damals ein paar Hundert Leute. Als Kind hat man ja schnell ein großes Schamgefühl, aber das geht dann auch schnell wieder weg. Geweint habe ich jedenfalls nicht, es musste ja weitergehen (lacht).

Und es hat offenbar kein frühkindliches Trauma ausgelöst – im Gegenteil: Sie wollten Schauspielerin werden.

Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich mich schon im Kindergarten am liebsten immer in die Verkleidungsecke gesetzt und mich verkleidet habe. Offensichtlich begleitet mich das schon sehr lange. Ich habe auch mit 16 angefangen, Theater zu spielen – aber die Möglichkeit, dass ich Schauspielerin werden könnte, kam für mich nicht in Betracht.

Warum nicht?

Weil ich eben aus diesem Dorf kam. Ich dachte immer, Schauspieler kommen aus der Stadt und haben Eltern, die auch schon Schauspieler waren. Ich wusste wohl, dass ich es gerne will, aber es kam dennoch für mich nicht infrage.

Und dann haben Sie sich doch an einer Schauspielschule beworben – und sind durchgefallen.

Irgendwann wollte ich es eben mal probieren. Aber so richtig getraut habe ich mich dann doch nicht. Ich war unsicher und dachte, ich könne das nicht richtig und sei nicht gut genug. Aber ich wollte mir später nicht vorwerfen müssen, es nicht wenigstens mal versucht zu haben. Und dann habe ich mir zum Vorsprechen die unpassendsten Rollen ausgesucht.

Welche denn?

„Die Sorge“ aus „Faust 2“ – da konnte man eigentlich nur denken: Was hat die denn? Spinnt die? (lacht) Natürlich bin ich durchgefallen und habe dann erst mal angefangen, Literatur zu studieren, um wenigstens Dramaturgin zu werden und am Theater bleiben zu können. Ich habe aber auch immer weiter Theater gespielt, und irgendwann kam dann der Punkt, an dem klar war: Das soll nicht nur mein Hobby bleiben, ich will das jetzt ganz oder gar nicht machen. Und dann bin ich zur Schauspielschule.

Wo Sie nach zwei Jahren die Ausbildung abgebrochen haben.

Ja, weil ich gemerkt habe, dass es nicht die richtige Schule und der richtige Ort für mich ist. Ich bin dann nach Köln gegangen, habe weiter privat Unterricht genommen und sehr schnell angefangen zu drehen.

Auf Ihrer Homepage heißt es dazu, der erste Drehtag beim Fernsehen sei so furchtbar gewesen, dass Sie damit nie wieder etwas zu tun haben wollten.

Der war wirklich furchtbar. Ich hatte während der zwei Jahre an der Schauspielschule für die Filmakademie in Ludwigsburg ziemlich viele Kurzfilme gedreht und dachte: Das Drehen ist ja toll, das macht ja richtig Spaß. Und dann wurde ich am ersten Drehtag mit den Worten begrüßt: „Hallo, bist du die Komparsin? Geh mal dahin, mach mal das und das.“ Ich spielte ein Zimmermädchen, musste ein furchtbares Kostüm anziehen und habe mich gefühlt wie eine Wurst in der Pelle. Und dachte nur: Ach, das ist jetzt also die Fernsehwelt. Das hatte mit dem, was ich am Theater und bei diesen Kurzfilmen erlebt hatte, rein gar nichts zu tun.

Was hat dann den Sinneswandel ausgelöst, doch bei Film und Fernsehen zu bleiben?

Dass es einfach so viele tolle Filme, so viele großartige Schauspieler gibt und es doch eine sehr schöne Welt ist. Das Problem war nur: Ich saß bei diesen ganzen „Ich-stell-mich-jetzt-mal-vor-Terminen“ derart verstockt rum, dass ich das Gespräch mit mir selbst nicht gern geführt, sondern gedacht hätte: Was willste denn mit der, die ist doch langweilig.

Und dann?

Eines Tages ist irgendetwas in mir geplatzt. Ich saß da und war so zornig, dass ich einem von diesen Casting-Agenten gesagt habe: Das ist doch alles total scheiße. Ich komme in die große weite Welt, und es passiert nichts, es gibt nur Absagen. Da guckte dieser Caster mich an und fragte: Was machst du denn nächste Woche? Und dann habe ich eine tragende Rolle in der Fernsehserie „Ina & Leo“ bekommen. Die haben wir komplett fertiggedreht – und dann lag sie wegen einer Reform des ARD-Vorabendprogramms erst mal vier Jahre im Archiv, bevor sie ausgestrahlt wurde.

Demnächst sieht man Sie zweimal in „Hotel Heidelberg“ – da haben Sie die Hauptrolle in einem großartigen Ensemble. Sind die beiden Filme allein dadurch schon etwas Besonderes für Sie?

Meine Zusage hing tatsächlich sehr stark von dem Ensemble ab. Als das Angebot kam, drehte ich gerade mit Dominik Graf in Rumänien und war in einer komplett anderen Welt. Ich weiß noch, wie ich da mitten in den Karpaten saß und dachte: Jetzt habe ich überhaupt keinen Kopf, so etwas zu lesen. Aber als ich hörte, welche tollen Kollegen da mitspielen sollten, fand ich es spannend. Mit Christoph Maria Herbst hatte ich schon mehrfach zusammengearbeitet, Hannelore Hoger finde ich als Kollegin ganz großartig und Rüdiger Vogler auch. Mit solchen Kollegen zusammenarbeiten zu können ist einfach schön.

Als Schauspielerin kennen Sie ja das Leben in Hotels – haben Sie schon mal eines wie das „Hotel Heidelberg“ erlebt?

Ich kenne ja nicht die Strukturen, sondern immer nur die Rezeption, den Frühstücksraum und mein Zimmer. In Köln gibt es ein Hotel, in dem immer alle Schauspieler wohnen...

...das „Savoy“?

Ja, genau. Das ist ein ganz eigener Kosmos, der aber sehr wichtig ist, wenn man dreht. Aber so eins wie das „Heidelberg“ habe ich noch nicht erlebt.

Wie waren Sie denn selbst in Heidelberg untergebracht?

In einem Hotel, das neben dem Haupthaus noch separate Gebäude hatte. Da hatten wir einen sehr schönen Garten und unsere Zimmer. Es gab keinen Durchgangsverkehr und war etwas ruhiger, was mir sehr wichtig ist. Ich wohne gerne eher anonym und hab‘s gerne sehr ruhig. Ich würde mich nicht zeitungslesend ins Foyer setzen.

Was war denn das skurrilste und verrückteste Hotel, das Sie selbst bislang erlebt haben?

Ich habe in New York einmal in einem Hotel gewohnt, in dem die Überlebenden der „Titanic“ untergebracht waren. Zu dieser Zeit war es wohl eine Art Seemannsheim. Heute noch sind die Zimmer winzig klein, wie Schiffskajüten. Man betritt den Raum, linker Hand ist sofort das 80 Zentimeter breite Bett, und das war im Prinzip auch schon das Zimmer. Das Zimmer ist tatsächlich nicht wirklich größer als das Bett. Es gibt auch, glaube ich, nur Einzelzimmer in diesem Hotel, und die Bäder sind auf dem Gang. Alles ist sehr reduziert und geschmackvoll eingerichtet. Man hat einen herrlichen Blick auf den Hudson River und fühlt sich in diesen winzigen Zimmern tatsächlich ein bisschen wie auf einem Schiff.

Hotelfilme in der ARD haben bislang bei mir immer ein leichtes Ziehen am Geschmacksnerven verursacht – hatten Sie auch diesen Reflex?

Den hatte ich auch. Andererseits finde ich, dass Hotels total spannende Orte sind, deshalb sind sie ja auch in der Literatur und im Film so präsent. Die Serie „Das Haus am Eaton Place“ habe ich geliebt. Da treffen die vielfältigsten Charaktere aufeinander, schlafen und duschen da, essen, zusammenkommen, sich trennen. Hotels sind wie ein kleiner Kosmos.

In „Hotel Heidelberg“ verliebt sich Christoph Maria Herbst in Sie – und beginnt deshalb zu stottern...

Mit Christoph zu drehen ist wahnsinnig lustig. Eigentlich ist er eher ein ernsthafter Mensch und haut nicht einen Witz nach dem anderen raus. Andererseits ist er so wahnsinnig schnell im Kopf, man kann quasi zusehen, wie es bei ihm rattert und ein lustiger Einfall den anderen jagt. Er ist auch enorm genau – alles, was er macht, hat einen Grund. Das führt bei mir dazu, dass ich ganz frei mit ihm spielen kann und mir dann auch solche Sachen einfallen. Es beflügelt mich regelrecht, mit ihm zu drehen.

Wenn er dann beginnt zu stottern – bleiben Sie da ernst, oder gab es auch Szenen, in denen Sie abgebrochen haben, weil Sie lachen mussten?

Das gab’s auch mal, aber eigentlich bleibe ich dann schon bei der Sache. Es hält ja auch den ganzen Betrieb unglaublich auf, wenn man sich da nicht im Griff hat (lacht).

Sie sind im „Hotel Heidelberg“ die starke Frau mit dem Herzen am richtigen Fleck – eine Frau ohne Schwächen?

Sie hat definitiv Schwächen, denn sie kann ihre Gefühle sehr schlecht zulassen. Sie kümmert sich, aber nicht um sich selbst. Sie hat vergessen, in sich selbst hineinzuhören, sondern funktioniert nur.

Haben Sie eine Lieblingsszene?

Beim Drehen war das Spaghetti-Essen mit Christoph total lustig. Wir hatten keine Vorgabe, konnten improvisieren, und ich dachte immer nur: Was machen wir hier eigentlich? (lacht)

TEASER-FOTO: