Als Künstler hat man im Grazer Kunsthaus nur eine Chance: wenn man sich, wie Michael Kienzer 2012, mit der dominanten Architektur auseinandersetzt.

Foto: Lackner

Graz - Blasen belieben zu platzen. Diese Binsenweisheit gilt auch für die "blaue Blase", wie das Grazer Kunsthaus gerne genannt wird: Siegfried Nagl, Bürgermeister der Landeshauptstadt, forderte unlängst in der Kleinen Zeitung "neue Impulse und viel mehr Bewegung und Besucher". Er schlug vor, die Programmierung nicht länger dem steirischen Landesmuseum Joanneum zu überlassen, sondern diese jeweils für ein oder zwei Jahre auszuschreiben.

Zunächst einmal erstaunt, wie lange es gebraucht hat, bis das Kunsthaus Gegenstand einer Debatte wird. Denn schon seit der Eröffnung 2003 als zentrales Projekt des Kulturhauptstadtjahres sind die extrem hohen Kosten bekannt.

In Linz ging man zur damaligen Zeit vernünftig vor: Das Kunstmuseum Lentos, im Mai 2003 eröffnet, hat eine Nutzfläche von 7700 Quadratmetern, die jährlichen Gebäudekosten liegen bei einer halben Million Euro. Das Grazer Kunsthaus ist mit einer Nutzfläche von 6172 Quadratmetern um mehr als 20 Prozent kleiner; dennoch sind die Betriebskosten aufgrund der gläsernen Hülle beinahe doppelt so hoch. Siegfried Nagl, seit dem Kulturhauptstadtjahr 2003 Bürgermeister (ÖVP), hat das Urassen mitzuverantworten: Er war ab 1998 als Stadtrat für die Bereiche Finanzwesen und Kultur zuständig.

Die Stadt beschloss damals, das etablierte Kulturhaus aufzugeben, verzichtete aber aus Budgetgründen darauf, das zusammen mit dem Land Steiermark errichtete Kunsthaus selbst zu betreiben. Alle Warnungen vor einer Machtkonzentration wurden negiert: Die Stadt zahlt brav 45 Prozent der Gesamtkosten von vier Millionen Euro, hat aber (außer einem Postkartenmotiv) nichts davon. Denn das Kunsthaus, für das es nicht einmal eine eigenständige Homepage gibt, wird als Teil des Joanneums vermarktet.

Erst jetzt sind Nagl die Augen aufgegangen. Er will dem Land die 2003 erworbene 15-Prozent-Beteiligung am Joanneum zurückgeben - und im Gegenzug das Kunsthaus übernehmen. Das klingt zumindest aus Sicht der Stadt vernünftig. Und natürlich muss man auch eine Debatte über die Programmierung führen. Denn die "blaue Blase" von Peter Cook und Colin Fournier versagt als White Cube.

Da nahezu keine planen Wände vorhanden sind, schrumpft die bespielbare Fläche auf ein ökonomisch kaum vertretbares Maß. Zudem ist die spiralförmige Beleuchtung in den "Noppen" derart dominant, dass fast jede Malerei untergeht. Behaupten kann sich nur, wer auf den gekuppelten Raum reagiert. Michael Kienzer ordnete sich ein, Sol LeWitt errichtete eine Mauer. Doch in der Regel ist die obere Ebene als Ausstellungsort ungeeignet.

Das weiß auch Peter Pakesch, der als Intendant des Joanneums für das Kunsthaus verantwortlich ist. Er empfindet den Vorstoß von Nagl dennoch als "Angriff" und schreit nun: "Populismus!" Seine Reaktion ist verständlich. Aber die Besucherzahlen sind eben mager. Das Lentos hatte 2012 rund 67.000 Besucher, das Kunsthaus 51.482; im Jahr darauf wurden in Linz über 70.000 Besucher gezählt, in Graz hingegen nur 63.232. Jede Eintrittskarte musste also mit 63 Euro subventioniert werden. Das ist beachtlich für ein Kunsthaus ohne Sammlung. Veränderungen tun daher wohl not. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 5.5.2014)