Hintergrund und Fragestellung

Neben der häufigen Berufskrankheit BK-Nr. 5101 („Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen“) kommen in der Dermatologie selten andere arbeitsbedingte Hauterkrankungen vor, die unter andere BK-Nummern fallen (Tab. 1).

Tab. 1 Berufskrankheiten gemäß Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Stand 01.01.2015), die mit Hauterscheinungen einhergehen können

Unter der Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV (Berufskrankheiten-Verordnung) sind Krankheiten erfasst, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind [4] (weitere Kriterien: s. Tab. 2). Die Verdachtsanzeige einer Berufskrankheit erfolgt bei der BK-Nr. 3101 mittels BK-Anzeige (Formular F 6000).

Tab. 2 Kriterien einer BK(Berufskrankheit)-Nr. 3101 (nach [4])

Für die Anerkennung einer BK-Nr. 3101 ist erforderlich, dass der Versicherte einer – der versicherten Tätigkeit innewohnenden – Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war [6]. Es handelt sich um eine offene Berufskrankheiten-Bezeichnung: Erfasst werden alle Arten von berufsbedingten Infektionskrankheiten, z. B. Tuberkulose, Hepatitis A–E, HIV („human immunodeficiency virus“)/AIDS („acquired immune deficiency syndrome“), MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), SARS-CoV2/COVID-19 und andere ([30]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Von Mensch zu Mensch übertragene Erreger als BK(Berufskrankheit)-auslösender Gegenstand (bei n = 3859 im Zeitraum 2007 bis 2012 anerkannten BKen 3101 gemäß BK‑DOK der DGUV [Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V.]). MRSA wird in der BK-DOK erst seit 2009 als eigener BK-auslösender Gegenstand erfasst. In der Gruppe „übrige oder nicht näher bezeichnete Infektionserreger“ sind Erreger zusammengefasst, die in der BK-DOK nicht als eigener BK-auslösender Gegenstand kategorisiert sind

Die Infektion mit einer übertragbaren Krankheit erfüllt regelmäßig auch die Voraussetzungen des Unfallbegriffs, weil das auslösende Ereignis die einmalige Ansteckung (innerhalb einer Arbeitsschicht) ist [30]. Diese ist jedoch rückblickend häufig nicht zu ermitteln, insbesondere bei zunächst klinisch stumm verlaufenden Erkrankungen [30].

Ziel der Arbeit war es, die besonderen medizinischen und versicherungsrechtlichen Aspekte einer beruflichen MRSA-Kolonisation darzustellen am Beispiel eines eindrucksvollen Gutachtenfalles und der Auswertung der BK-Verdachtsanzeigen (BK-Nr. 3101) der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger.

MRSA und BK-Nr. 3101

MRSA ist weltweit als Problemkeim in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen anerkannt [25]. Pflegeheime stellen ein Umfeld für den Erwerb und die Verbreitung von MRSA dar. Risikofaktoren für den MRSA-Erwerb sind chronische Erkrankungen, offene Wunden und häufige Anwendung antimikrobieller Substanzen, wie sie bei Bewohnern eines Pflegeheims gehäuft vorkommen können. Erwerb einer MRSA-Besiedelung ist auch im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit in der Pflege möglich.

Die Prävalenz einer MRSA-Kolonisation für Patienten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen in Europa variiert aufgrund unterschiedlicher Screening- und Präventionsmaßnahmen zwischen 1 und 20 % [10]. Sowohl die Resistenzraten als auch die Prävalenz des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) bleiben in Deutschland seit Jahren auf einem stabilen Niveau [24]. Bei Bewohnern von Pflegeheimen in Deutschland wird die Prävalenz mit ca. 3 % angegeben [17]. Die durchschnittliche MRSA-Prävalenz im Gesundheitsdienst liegt zwischen 1,1 und 5,4 % [1, 12].

Ein beruflich bedingter Erwerb der MRSA-Kolonisation ist bei Berufstätigen im Gesundheitswesen als wahrscheinlich anzusehen, wenn andere MRSA-Risikofaktoren wie Herkunft aus Endemiegebieten, längere stationäre Krankenhausaufenthalte, beruflicher Kontakt zu landwirtschaftlicher Tiermast mit Einsatz von Antibiotika oder außerberuflicher Kontakt zu Patienten mit chronischer Pflegebedürftigkeit ausgeschlossen werden können [23]. Für die Anerkennung einer BK-Nr. 3101 ist grundsätzlich der Nachweis einer Infektionsquelle erforderlich. In Ausnahmefällen können für ausgewählte Tätigkeitsbereiche BeweiserleichterungenFootnote 1 gelten. MRSA-kolonisierte Berufstätige in Gesundheits- und Pflegeberufen sind zumeist asymptomatisch, stellen aber als Vektor ein wichtiges Bindeglied in der Übertragung von MRSA dar. Die MRSA-Kolonisation (d. h. klinisch stumme Besiedelung von Haut und Schleimhäuten mit Bakterienvermehrung, aber ohne Auftreten von Infektionszeichen) ist von einer apparenten MRSA-Infektion mit Einschränkungen des Gesundheitszustandes zu unterscheiden [23].

Nach der bisherigen Beurteilungspraxis werden klinisch stumme MRSA-Kolonisationen nicht als BK-Nr. 3101 anerkannt, sondern nur im Falle klinisch manifester Infektionszeichen [15]. Im Gegensatz zu Kontaktekzemen, die 95 % der BK-Nr. 5101 ausmachen, sind dabei charakteristischerweise weder der Verlauf noch die Lokalisation streng tätigkeitsabhängig. Stellt sich die Hautkrankheit als Folge einer MRSA-Infektion dar, liegen die Voraussetzungen einer BK-Nr. 5101 nicht vor. Es ist eine BK-Nr. 3101 zu prüfen [30].

Im Gegensatz zur klinisch stummen MRSA-Besiedelung/Kolonisation der Haut oder Schleimhäute des Nasen-Rachen-Raums als Bestandteil der Hautflora, bei der kein krankhafter/regelwidriger Zustand erkennbar ist, kommt es bei einer MRSA-verursachten Infektionskrankheit, die als BK-Nr. 3101 anzuerkennen ist, zu einem physisch regelwidrigen Zustand im Sinne einer Gesundheitsstörung (z. B. MRSA-assoziierte Infektionen oder Superinfektion an läsionaler Haut, im Bereich der Harnwege, des Mittelohres oder der Gelenke, ausgehend von einer lokalen Infektion zu einer systemischen Ausbreitung mit Auftreten tief liegender Abszesse oder Befall von Lunge oder Herz) [23].

Patientenkollektive und Methoden

Die bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) geführte Dokumentation der Berufskrankheiten (BK-DOK) sowie die Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (Zeitraum 2007–2012) wurden zur BK-Nr. 3101 ausgewertet (dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Stephanie Schneider [DGUV Referat Statistik – Leistungen, Berufskrankheiten, Sonderaufgaben, DGUV; Berlin]).

Zusätzlich wurde das 2007 bis 2012 nach der ärztlichen Praxis berufsdermatologisch begutachtete Patientenkollektiv der Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen bezüglich von Mensch zu Mensch übertragener Infektionskrankheiten der Haut retrospektiv untersucht. Die Datenextraktion erfolgte dabei in pseudonymisierter Form unter Einhaltung ethischer Richtlinien im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung).

Ergebnisse

Daten der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand

Im Zeitraum 2007 bis 2012 betrug der Anteil der angezeigten BK-Nr. 3101-Verdachtsfälle (n = 10.443) 2,6 % aller angezeigten BK-Verdachtsfälle (n = 400.949). Die anerkannten BK-Nr. 3101-Fälle (n = 3711, davon 487 mit einer BK-Rente) im selben Zeitraum machten 4,2 % aller anerkannten Berufskrankheiten (n = 88.447) aus (Tab. 3). Die Häufigkeitsverteilung der unterschiedlichen Erreger als BK-auslösendem Gegenstand der von 2007 bis 2012 anerkannten BK-Nr. 3101-Fälle (n = 3859) ist in Abb. 1 zusammengefasst: Zwei Drittel aller Fälle sind bedingt durch beruflich erworbene Tuberkulose, Parasiten (v. a. z. B. Skabies und Läuse) und Hepatitis A–G (Abb. 1).

Tab. 3 BK(Berufskrankheit)-Nr. 3101 im Berufskrankheitengeschehen (2007 bis 2012; Geschäfts- und Rechnungsergebnisse der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand)

Nach aktuellen Zahlen der Geschäfts- und Rechnungsergebnisse [7] wurden im Jahr 2013 von den insgesamt 71.579 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit n = 1704 (2,4 %) Infektionskrankheiten unter dem Verdacht einer Berufskrankheit BK-Nr. 3101 angezeigt. Bei n = 721 (2 %) der insgesamt 36.202 Fälle mit bestätigtem BK-Verdacht lag eine BK-Nr. 3101 vor. In Vergleich dazu betrugen die 2013 unter der BK-Nr. 5101 angezeigten Fälle (n = 24.033) – überwiegend mit Kontaktekzemen – 33,6 % aller angezeigten Fälle, von denen bei n = 20.643 der berufliche Zusammenhang bestätigt wurde (entspricht 57 % aller Fälle mit bestätigtem BK-Verdacht; [8]).

Berufsdermatologisches Begutachtungskollektiv der Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen

Das oben genannte Patientenkollektiv berufsdermatologischer Begutachtungsfälle umfasste 2007 bis 2012 n = 129 Gutachten, von denen nur 1 Fall (0,77 %) die BK-Nr. 3101 betraf. Die Fragestellungen des Gutachtenauftrages sind in Tab. 4 zusammengefasst.

Tab. 4 Fragestellungen eines Zusammenhangsgutachtens zur Beurteilung des Vorliegens einer BK (Berufskrankheit) 3101

In diesem speziellen Fall (Tab. 5; Abb. 2) wurde die Anerkennung einer MRSA-assoziierten Ekzemerkrankung infolge einer beruflich erworbenen MRSA-Ansteckung als BK-Nr. 3101 gutachterlicherseits empfohlen und durch den Unfallversicherungsträger anerkannt, da es sich im Gegensatz zu einer klinisch stummen MRSA-Kolonisation um eine klinisch manifeste MRSA-assoziierte Erkrankung der Haut als regelwidrigem Gesundheitszustand handelte.

Tab. 5 Gutachtenfall einer 64-jährigen Altenpflegerin, bei der die Erstmanifestation einer atopischen Dermatitis durch beruflich erworbenen MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ausgelöst wurde
Abb. 2
figure 2

Hautveränderungen der Hände der Versicherten. MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) auf Haut und Schleimhaut im Nasenostium war seit 3 Jahren wiederholt nachweisbar

Berufsdermatologische Beurteilung: Im speziellem Gutachtenfall einer Altenpflegerin (Tab. 5) fällt gemäß Gutachtenauftrag die Fragestellung nach Folgen der MRSA-Erkrankung im dermatologischen Fachgebiet nicht unter BK-Nr. 5101, sondern unter BK-Nr. 3101 (Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war). Eine im Vorfeld der dermatologischen Begutachtung durchgeführte gewerbeärztliche Beurteilung empfahl die Anerkennung als BK-Nr. 3101.

Zum Zeitpunkt der Begutachtung wurde eine generalisierte, akute atopische Dermatitis mit erneut nachgewiesener MRSA-Besiedelung der Haut diagnostiziert. Es bestand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine beruflich erworbene MRSA-Ansteckung bei deutlich erhöhtem Risiko im Rahmen der beruflichen Tätigkeit als Altenpflegehelferin. Für die atopische Dermatitis ist eine Exazerbation der Hautveränderungen durch MRSA-Kolonisation der Haut in der Literatur beschrieben [28].

Die über den Zeitpunkt des Eintretens der Arbeitsunfähigkeit als Altenpflegehelferin fortdauernde MRSA-Besiedelung der Haut stellt im vorliegenden Fall eine wesentliche Teilursache der Erstmanifestation der atopischen Dermatitis im 60. Lebensjahr und der zunächst bestehenden Therapieresistenz der atopischen Dermatitis dar, die nach erfolgreicher MRSA-Sanierung vollständig und nachhaltig abheilte.

Patienten mit atopischer Hautdiathese zeigen eine höhere Suszeptibilität für die Besiedelung mit Staphylococcus (S.) aureus aufgrund einer reduzierten Expression antimikrobieller Peptide [31]. Toll-like-Rezeptoren (TLR), besonders TLR‑2, erkennen Zellwandbestandteile von S. aureus [27]. Monozyten von Patienten mit einem heterozygoten TLR-2-Polymorphismus, der mit einer schwereren klinischen Krankheitsmanifestation assoziiert ist, produzieren signifikant mehr IL(Interleukin)-6 und IL-12 nach TLR-2-Aktivierung [27]. Verschiebungen in der bakteriellen Prädominanz einzelner Spezies (S. aureus, S. epidermidis, Streptococcus, Propionibakterien und Korynebakterien) führen bei Patienten mit atopischer Dermatitis zu einem vermehrten Auftreten von Krankheitsschüben [22]. Hierbei kommt es pathophysiologisch durch eine erhöhte Proteaseaktivität und einen erhöhten pH-Wert zu einer eingeschränkten Barrierefunktion der Haut, verursacht durch eine Reduktion der natürlichen Feuchthaltefaktoren („moisturizing factors“) [19]. Die pH-Wert-Erhöhung ermöglicht eine gesteigerte Adhäsion und Proliferation von Staphylokokken auf der Hautoberfläche [17]. Es konnte gezeigt werden, dass Hautkontakt zu von Staphylococcus aureus produzierten extrazellulären Vesikeln eine Rolle in der Pathogenese der atopischen Dermatitis spielt [18].

Bis zum Zeitpunkt der Begutachtung wurden MRSA-Sanierungsmaßnahmen nicht konsequent bis zur erfolgreichen Eradikation durchgeführt. Bei therapieresistenter atopischer Dermatitis wurde aus gutachterlicher Sicht eine MRSA-Eradikation als relevantem Ekzemtrigger empfohlen, zusätzlich eine stadiengerechte dermatologische Therapie der exogen getriggerten atopischen Dermatitis [32].

Nach Anerkennung als Berufskrankheit BK-Nr. 3101 wurde seitens des gesetzlichen Unfallversicherungsträgers ein stationäres Heilverfahren veranlasst mit dem Therapieziel der erfolgreichen MRSA-Eradikation. Während des stationären Aufenthaltes wurden intensiviert lokalantiseptische Maßnahmen (Tab. 6) über 1 Woche durchgeführt, und eine vollständige MRSA-Eradikation wurde erzielt. Die vorher über Jahre therapieresistenten ekzematösen Hautveränderungen heilten nach der MRSA-Eradikation vollständig und dauerhaft ab. Drei Jahre nach erfolgreicher Sanierung ist der Hautzustand der Patientin unter blanden rückfettenden Maßnahmen weiterhin erscheinungsfrei. Die berufliche Tätigkeit als Altenpflegerin wurde von der hauterscheinungs- und MRSA-freien Versicherten nicht mehr aufgenommen aufgrund einer Freistellung seitens des Arbeitgebers über 6 Monate bis zum Erreichen des Rentenalters.

Tab. 6 Klinikinterne Standards zur Dekolonisierung, die im speziellen Fall zur Eradikation führten, im Einklang mit Empfehlungen des Robert Koch-Institutes [23]

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die MRSA-verursachte Gesundheitsstörung wurde im vorliegenden Gutachtenfall zum Zeitpunkt der Begutachtung bei noch bestehender MRSA-Besiedelung und dadurch getriggerter atopischer Dermatitis ab dem Zeitpunkt des erstmaligen MRSA-Nachweises auf 25 % geschätzt. Die Einschätzung der MdE bei BK-Nr. 3101 orientiert sich dabei an den objektivierbaren Funktions- und Leistungseinschränkungen: Aufgrund der MRSA-getriggerten atopischen Dermatitis waren alle Feuchtberufe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen sowie alle Gesundheits- und Pflegeberufe mit engem Kontakt zu Pflegebedürftigen mit chronischen Erkrankungen.

Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit ohne verbleibende Funktionseinschränkungen beträgt die MdE 0 % [30].

Diskussion

Staphylococcus aureus besiedelt die Haut bei 60–100 % der AD-Patienten im Vergleich zu 5–30 % der gesunden Kontrollen [21]. Des Weiteren weisen 10–30 % der von AD-Patienten isolierten S.-aureus-Stämme Methicillin-Resistenz (MRSA) auf. Atopische Dermatitis ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei der nach derzeitigem pathogenetischem Verständnis [21] der Kolonisation mit S. aureus eine ungünstige Einwirkung zwischen S.-aureus-Infektion und AD-Exazerbation zukommt durch Induktion von TSLP („thymic stromal lymphopoietin“) und Th2/Th17-Entzündung. Alle S.-aureus-Stämme exprimieren Superantigene wie Staphylokokken-Enterotoxin (SE) A, SEB, SEC, SED und toxisches Schocksyndrom-Toxin‑1 (TSST-1) [21]. Hochgradig abnormale und komplexe Muster von Superantigenen werden bei mehr als 80 % der von AD-Patienten isolierten S. aureus gefunden. Staphylokokken-Superantigene aktivieren polyklonale T‑Zellen und anschließend eine T‑Zell-vermittelte Entzündung in AD-Läsionen durch Bindung an „major histocompatibility complex class II molecules“ auf dendritischen Zellen und T‑Zell-Rezeptoren β‑Ketten auf T‑Zellen ohne antigene Peptidpräsentation. Insbesondere SEB erhöht die IL-31-Expression und führt zur Hemmung der Differenzierung von Keratinozyten und zur Unterdrückung der Filaggrin-Expression [21].

Im Berufskrankheitengeschehen allgemein und speziell in der berufsdermatologischen Begutachtung sind von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten (BK-Nr. 3101) im Vergleich zu Erkrankungen der BK-Nr. 5101 selten: In der berufsdermatologischen Begutachtung überwiegen Kontaktekzeme, die unter die BK-Nr. 5101 fallen. Von Mensch zu Mensch übertragene Infektionskrankheiten können eine BK 3101 bedingen, wenn sie bei Versicherten aus dem Bereich des Gesundheitsdienstes, der Wohlfahrtspflege oder Laboratorien auftreten. Bei diesen Infektionserkrankungen kann es sich um eine Hautkrankheit handeln, bei der die BK-Nr. 3101 auch dann anzuerkennen ist, wenn die besonderen Voraussetzungen einer BK-Nr. 5101 nicht gegeben sind. Die Voraussetzungen für eine BK-Nr. 3101 und der Umgang damit im Berufskrankheitengeschehen unterscheiden sich wesentlich von denen der BK-Nr. 5101 und sind selbst unter erfahrenen Dermatologen zum Teil wenig bekannt, weshalb eine Mindermeldung möglich erscheint.

Während in der Gesamtstatistik der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V.) im Zeitraum 2007 bis 2012 BK-Nr. 3101-Verdachtsfälle mit n = 10.443 2,6 % aller angezeigten Verdachtsfälle und mit n = 3711 Fällen 4,2 % aller anerkannten Berufskrankheiten (davon 9 [0,2 %] mit MRSA) ausmachten, lag im untersuchten berufsdermatologischen Begutachtungskollektiv der Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen die Fragestellung im selben Zeitraum nur 1‑mal vor.

In diesem beispielhaft dargestellten Gutachtenfall (Tab. 5) wurde die Anerkennung einer MRSA-assoziierten Ekzemerkrankung infolge einer beruflich erworbenen MRSA-Ansteckung als BK-Nr. 3101 empfohlen und anerkannt, da es sich im Gegensatz zu einer klinisch stummen MRSA-Kolonisation um eine klinisch manifeste MRSA-assoziierte Erkrankung der Haut als regelwidrigem Gesundheitszustand handelte, die darüber hinaus die besonderen Voraussetzungen der BK-Nr. 3101 erfüllte. Bei der Versicherten bestanden berufliche Risikofaktoren für den Erwerb einer Besiedelung mit „healthcare associated(ha)-MRSA“ [25]. Eine genetische Analyse des vorliegenden MRSA-Isolates wurde nicht durchgeführt.

Nachdem vor Aufnahme der Tätigkeit als Altenpflegehelferin die Versicherte niemals an einer atopischen Dermatitis erkrankt war, ist im speziellen Fall eine Verschlimmerung als „Gelegenheitsursache“ im Sinne des Sozialrechts nicht zutreffend, da diese eine vorbestehende klinisch manifeste anlagebedingte Erkrankung voraussetzen würde [2, 13]. Der Krankheitsverlauf der AD im speziellen Fall, die vollständig und nachhaltig nach der MRSA-Sanierung sistierte, weist auf einen beruflichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Teilursache hin.

MRSA gehört nicht zu den häufigen von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionskrankheiten, die unter BK-Nr. 3101 geregelt sind. Diese sind, basierend auf der Analyse des DGUV-Registers (Abb. 1), vorwiegend Tuberkulose, parasitäre Erkrankungen und Hepatitiden. MRSA gehört zu den weniger häufigen bakteriellen Erregern, die unter bestimmten Voraussetzungen im Sinne der BK-Nr. 3101 anerkannt werden [30]. Die Prävalenzen von Staphylococcus aureus und MRSA in der Normalbevölkerung sowie der Umstand, dass MRSA gegenüber Staphylococcus aureus keine erhöhte Virulenz hat, stellen wesentliche Hindernisse bei der Anerkennung als Berufskrankheit dar. Dass die atopische Dermatitis im oben genannten Gutachtenfall durch den MRSA erst hervorgerufen wurde, ist von entscheidender Bedeutung für die Anerkennung als Berufskrankheit in diesem Fall.

Eine individuelle Betrachtung des Einzelfalles ist immer erforderlich. Zusammenfassend können in ähnlichen Fällen zur Anerkennung als BK-Nr. 3101 folgende 2 Möglichkeiten diskutiert werden:

  • Anerkennung als infektverursachte Dermatitis vom atopischen Typ, die durch die beruflich verursachte Besiedelung mit MRSA verursacht wurde. Diese Möglichkeit würde der engen ursächlichen Verknüpfung der MRSA-Besiedelung mit der Dermatitis Rechnung tragen;

  • Anerkennung des regelwidrigen Zustandes einer beruflich verursachten Besiedelung der Haut mit MRSA als BK 3101 dem Grunde nach und als mittelbare Folge eine atopische Dermatitis. Dieses Vorgehen wäre rechtskonform zu einem Unfall, dem die BK 3101 in der rechtlichen Bewertung naheliegt und bei dem unmittelbare und mittelbare Folgen anzuerkennen und ggf. zu behandeln und zu entschädigen sind. Für Versicherte hätte diese zweite Vorgehensweise zur Folge, dass alle etwa zusätzlich auftretenden Probleme durch die MRSA-Besiedelung anerkannt würden, nicht aber unabhängig auftretende atopische Hauterscheinungen.

Eine „normale“ atopische Dermatitis – ohne beruflich erworbene MRSA-Besiedelung –, die einem krankheitstypischen Spontanverlauf folgt, ist abzugrenzen. Für Patienten mit atopischer Dermatitis wurden erhöhte Kolonisationsraten mit S. aureus von etwa 60 % beschrieben [3]. Vornehmlich handelt es sich jedoch um sog. „community-acquired“ MRSA [29]. Eine vorbestehende berufsunabhängige AD kann durch eine solche Kolonisation als „Gelegenheitsursache“ verschlimmert werden. Kürzlich wurde eine signifikant stärkere Ekzemausprägung im Eczema Area Severity Index (EASI) bei AD-Patienten mit multiresistenter S.-aureus-Besiedelung im Vergleich zu AD-Patienten mit Methicillin-sensibler S.-aureus-Besiedelung beschrieben (p < 0,01) [20].

Gesetzliche Richtlinien bezüglich eines Beschäftigungsverbotes bei MRSA-Trägerstatus bestehen nicht. Bei MRSA-Trägerstatus ist von Tätigkeiten in Gesundheits- und Pflegeberufen mit Kontakt zu chronisch Kranken oder Pflegebedürftigen mit offenen Wunden abzuraten. Auf Empfehlung des Robert Koch-Institutes sollte zur Prävention einer Weiterverbreitung von MRSA Personal mit Keimträgerstatus bis zur nachgewiesenen Sanierung keine Patienten behandeln und pflegen [23]. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, Betriebsarzt und der zuständigen Gesundheitsbehörde muss im individuellen Fall über eine mögliche innerbetriebliche Umsetzung entschieden werden. Da sich MRSA von der sensiblen Staphylokokken-Variante nicht durch seine Virulenzeigenschaften unterscheidet, ist bei gesunden Menschen ohne Hautläsionen oder chronische Krankheiten keine erhöhte Infektionsgefahr mit MRSA festzustellen, und es bestehen daher per se keine beruflichen Einschränkungen von MRSA-Trägern.

Da bei der pflegerischen Tätigkeit in einem Seniorenwohnheim enger Kontakt zu Bewohnern mit chronischen Erkrankungen besteht, kann unter Anwendung von § 31 des Infektionsschutzgesetzes ein „berufliches Tätigkeitsverbot“ [5] für solche Tätigkeiten von der zuständigen Behörde – im Falle von Berufstätigen im Gesundheitswesen das zuständige Gesundheitsamt – ausgesprochen werden, was jedoch mangels Meldung/Meldepflicht in der Praxis kaum erfolgt. Im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist daher bei dermatologischen Erkrankungen mit MRSA-Besiedelung der Einsatz im Gesundheits- und Pflegebereich mit direkter Patientenbetreuung für MRSA-Träger (bis zur erfolgreichen Dekolonisierung) als verschlossen anzusehen. Bei einer ausschließlichen Besiedelung der Nase (das ist bei MRSA-Trägern bei Weitem der häufigste Fall) sollte hingegen eine Risikoeinschätzung erfolgen: Üblicherweise wird das Personal bis zum Ende der Sanierung nicht in Hochrisikobereichen (z. B. der Neugeborenenstation) eingesetzt. Bei guter Compliance mit der Händehygiene (Desinfektion vor und nach Tätigkeit am Patienten, Tragen von Handschuhen, Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes) können ggf. auch während der Sanierungsphase z. B. Tätigkeiten am Patienten in der Altenpflege oder auch der ambulanten Pflege durchgeführt werden.

Ein zeitiger MRSA-Nachweis [16] und frühzeitige und konsequente MRSA-Sanierung [23] sind anzustreben. Ulzera (Dekubitus, arterieller, kombinierter Dekubitus/arterielle Ulzera, nicht anderweitig spezifiziert), Typ-II-Diabetes mellitus (DM) und atopische Dermatitis (AD) sind signifikant mit dem Vorliegen von MRSA verbunden [7]. In einem ambulant MRSA-sanierten dermatologischen Patientenkollektiv konnten 37,5 % der Patienten mit 5‑tägigen antiseptischen Maßnahmen erfolgreich saniert werden [26]. Im Durchschnitt nahm die erfolgreiche Sanierung 12,97 (±7,6) Tage in Anspruch. Bei 37,5 % der Patienten war eine systemische Antibiose notwendig [26]. Die bis 9/2018 gültige DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V.) S1-Handlungsempfehlung „MRSA – eine Handreichung für Hausärzte Teil 2: Therapie/Sanierung“ empfiehlt eine 5‑tägige Sanierung und führt aus: „Offene Wunden, Hauterkrankungen oder liegende Zugänge wie z. B. Blasenkatheter oder PEG gefährden den Erfolg der Sanierung und sollten zuvor behandelt bzw. beseitigt werden. Wenn die Beseitigung nicht möglich ist, muss die Indikation zur Sanierung in Frage gestellt werden: nur bei erhöhter Gefahr einer Ausbreitung (z. B. im Altenpflegeheim, bei Dialysepflichtigkeit oder vor geplanten weiteren stationären Aufenthalten) ist ein Sanierungsversuch sinnvoll, da hierdurch eine Keimlastsenkung erzielt werden kann“ [14].

Zusammenfassend zeigt sich, dass bei dermatologischen Erkrankungen eine 5‑tägige ambulante Sanierungsdauer teilweise nicht ausreicht, ggf. für eine erfolgreiche Sanierung wie im vorliegenden Fall eine stationäre Behandlungsmaßnahme erforderlich werden kann.

Wird nach erfolgreicher Sanierung (Sanierungsmaßnahmen s. Tab. 6) in aufeinanderfolgenden Kontrollabstrichen an 3 verschiedenen Tagen kein MRSA mehr nachgewiesen, ist eine Aufnahme der Tätigkeit in der direkten Patientenbetreuung wieder möglich. Weitere Kontrollen sind 3, 6 und 12 Monate nach Therapieende zu veranlassen [23].

Die Kosten dieser Maßnahmen werden bei anerkannter BK-Nr. 3101 als Leistungen nach Eintritt des Versicherungsfalls (Heilbehandlung), deren Anspruch sich direkt aus dem SGB (Sozialgesetzbuch) VII ableitet, durch den gesetzlichen Unfallversicherungsträger übernommen. Nachgewiesene MRSA-assoziierte Krankheitssymptome und Gesundheitsstörungen im Sinne eines regelwidrigen Gesundheitszustandes – wie im vorliegenden Fall der vorübergehend MRSA-getriggerten atopischen Dermatitis – stellen die Grundlage zur Entscheidung über Leistungen nach dem SGB VII dar [30].

Anders als im oben genannten Gutachtenfall wird ein MRSA sich in aller Regel bei Beschäftigten im Gesundheitswesen auf vorbestehende berufsbedingte Handekzeme, für die der Sachverhalt einer BK 5101 vorliegt, aufpfropfen. In diesem Fall sollte entsprechend ein Hautarztbericht erstattet werden. Die mit dem Hautarztverfahren für Dermatologen geschaffenen Möglichkeiten sollten genutzt werden, gerade auch bei superinfiziertem Handekzem im Gesundheitswesen.

Umfragen unter Betriebsärzten in Deutschland ergaben, dass derzeit noch sehr große Unterschiede zwischen verschiedenen Pflegeeinrichtungen bezüglich des Umgangs mit MRSA-kolonisierten Mitarbeitern herrschen [11].

Fazit für die Praxis

  • Bei von Mensch zu Mensch übertragenen Infektionskrankheiten (z. B. durch Viren oder Bakterien) ist es wichtig, an einen möglichen Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit des Betroffenen zu denken, da diese eine BK-Nr. 3101 bedingen können, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.

  • In diesem Fall ist eine BK-Meldung an den Unfallversicherungsträger erforderlich.

  • Bei besonders suszeptiblen Personen mit atopischer Hautdiathese als Anlage kann eine berufliche erworbene MRSA-Besiedelung der Haut als eine rechtlich wesentliche Teilursache zur Erstmanifestation einer hierdurch zunächst therapieresistenten atopischen Dermatitis führen, weshalb frühzeitiger MRSA-Nachweis und -Eradikation sinnvoll und erforderlich für eine medizinische Rehabilitation sind.